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Von Freitag bis Freitag: Unterwegs mit Louis

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Neues Jahr, neue Pläne. Unser Autor startet raketenmäßig ins neue Jahr und nimmt sich viel vor: über die Fotografie-Ausstellung “But a mermaid has no tears” über eine Lesung bis hin zur Albumrelease-Party von The Whiskey Foundation ist für jeden Geschmack etwas dabei.

Für das neue Jahr habe ich mir keinen einzigen Vorsatz gemacht. Und das ist nicht nur gut, sondern auch richtig so. Meiner Meinung nach legitimiert man so nur das eigene schlechte Gewissen. Brechen tun wir die Vorsätze sowieso alle sehr schnell. Dieses Jahr mache ich mir nichts vor. Würde ich mich mit derartig lästigen Dingen wie joggen gehen oder dem Verzicht aufs Feiern gehen beschäftigen, dann wäre mein volles Programm im neuen Jahr ja wohl kaum zu schaffen. Und das wäre nun einmal wirklich schade.

Ich beginne den Freitag in einer kleinen Fotogalerie in der Maxvorstadt. Dort findet heute die Finissage der beiden tollen Fotografen Laura Zalenga und Korbinian Vogt statt. Beide haben sich in der Münchner Szene einen Namen gemacht und werden heute noch ein letztes Mal ihre kleine Werkschau in der Galerie Ingo Seufert präsentieren. Später möchte ich raus, tanzen, springen, die Welt vergessen. Der Crux Winter Jam im heimeligen Muffatwerk verspricht wild zu werden. Oder gemütlich mit feinstem Soul ins Import Export. Dort ist das Passauer DJ-Kollektiv Funk & Liebe zu Gast, mit denen sich der Weihnachtsspeck mit Sicherheit auf die beste und spaßigste Art und Weise wegshaken lässt.

Am Samstag schlafe ich erst einmal gemütlich aus. Nach ausgiebigem Kaffee-Frühstück und einem gemütlichen Sofa-Tag schlendere ich in das Café Kosmos. Hier wird heute Abend die Fotographie-Ausstellung „But a mermaid has no tears“ eröffnet. Die analogen Portraits der jungen Münchnerin Nadja Ellinger haben etwas von Alptraum und Märchengeschichte zugleich - die Fotografin selbst schreibt: „Ich wollte nicht die äußere Handlung des Märchens fotografieren, sondern mehr die innere.“ Nach der Vernissage und den ersten Biergläsern schaue ich im STROM an der Poccistraße vorbei. Der Lieblings-DJ des Glockenbachviertels - Fancy Footworks - steht dort heute an den Plattentellern und versorgt mich wie gewohnt mit einem fetzigen Auftritt. Später treffe ich noch eine Freundin auf ein letztes Bier im Sunny Red. Hier sorgen D-Light und MC Jah Screechy aus Großbritannien für besten Dub zu später Stunde - genau das Richtige, um den letzten Samstag vor dem gefürchteten Unistart abzurunden.

Dieser löst bei mir am Sonntag starkes Fernweh aus. Gut, dass heute im Muffatwerk eine Vortragsreihe verschiedenster Dokumentarfilmemacher stattfindet. Von Kuba, durch die Schnee- und Eiswüsten dieser Erde, bis nach Asien und in die Anden ist mit Sicherheit so einiges dabei, um bei mir neue Reiseträume wach werden zu lassen.

Montag. 10 Uhr, Hörsaal. Finde ich gerade auch nicht so schlimm. Nach einem langen Tag wie diesem schmerzt mir allerdings der Kopf und ich statte dem wunderbaren Trachtenvogl einen abendlichen Besuch ab. Der ist heute gefüllt mit bestem Folk von den beiden Münchnern Carmina Reyes und Sleepwalker’s Station. Gut gegen Uni-Blues, schlecht für meine Ungeduld, bald wieder reisen zu gehen.

Dabei sind solche Träume vom Fliegen eigentlich der reinste Luxus. Das wird mir am heutigen Dienstag wieder bewusst, an dem ich die Sonderausstellung„Nie wieder. Schon wieder. Immer noch.“ im NS-Dokumentationszentrum über den erneuten Aufstieg rechtsextremen Gedankenguts in Europa besuche. Unangenehme Gedanken über diesen unerträglichen Nationalismus plagen mich nun. Weshalb ich mich spontan entschließe, dem Gemeinschaftsprojekt „Bellevue di Monaco“ noch schnell einen Besuch abzustatten. Hier wird jeden Dienstag in einem offenen Tanzworkshop eine Choreographie erarbeitet, die Tanzstile aus aller Welt miteinander verbindet. Das verleiht mir wieder gute Laune. Tanz, Kultur ist eben nichts Statisches, was schon immer so da war und immer gleichen bleiben könnte.

Den Mittwoch lasse ich ruhig angehen. Ich gehe spazieren an der Isar. Und abends noch ins Lovelace, auf eine Lesung. Sara Hauser und Elisa Weinkötz lesen eigene Kurzgeschichten, die sich in der Natur abspielen. Ich hoffe nur, es regnet nicht.

Am Donnerstag gehe ich wieder meinem Drang nach, in die Welt zu reisen. Sulayman Jode, der als Schneider erste Kollektionen im Second-Hand-Laden Vinty’s präsentierte, veranstaltet mit Freunden inzwischen richtige interkulturelle Fashion-Events mit Modeschauen, Hip-Hop-Konzerten und einer ganzen Reihe an DJs. Seine gewagten Kleider, die Stoffe aus seiner gambischen Heimat mit westlichen Schnitten verschmelzen lässt, fallen auf im eher trüben Münchner Kleidungshorizont. Der Abend im Backstage verspricht lang zu werden - und reich geschmückt mit den heißen Beats nigerianischer, gambischer oder tansanischer Musikstile.

Was für eine volle Woche. Dabei beginnt das Wochenende doch erst. Und am Freitag das mit der - ungelogen - wohl fetzigsten Party, die München im ganzen Jahr 2018 erleben wird. The Whiskey Foundation spielen, leben, atmen Blues wie alte Großmeister. Heute Abend veröffentlichen sie ihr drittes Album, Blues & Bliss. Allein die Vorbands können sich sehen lassen: Matthew Matilda und Organ Explosion. Danach wird eine der einzigartigsten Live-Bands Deutschlands die Muffathalle zum Beben bringen, bevor dann im Café weitergefeiert wird. Wenn die Vögel zu zwitschern beginnen, bekomme ich die treibenden Gitarrenlicks noch immer nicht aus dem Kopf. Ist zumindest mein Vorsatz.

Text: Louis Seibert

Foto: Lukas Marti


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