17 Prozent aller Menschen in Deutschland haben eine Lactoseintoleranz. Viele andere leiden an anderen Unverträglichkeiten. Etwas so Schönes und Alltägliches, wie zum Italiener um die Ecke gehen, kann dann ganz schnell mal zum Magenschmerzen führen. Deshalb hat Isabella Hener ihren Foodtruck Die intolerante Isi auf die Straßen Münchens gebracht. Und jetzt auch ein Pop Up Café.
Isabella Hener hat für sich und ihren Foodtruck Die intolerante Isi in der Amalienstraße 91 einen Platz zum Überwintern gefunden. Isabella und ihren Foodtruck haben einige mit Sicherheit schon auf diversen Street-Food-Märkten gesehen. Die intolerante Isi heißt er deswegen, weil man bei Isi selbst mit einer Lactose- oder Fructoseintoleranz noch nach Herzenslust schlemmen kann. Seit Anfang Februar gibt es das Angebot in einem Pop-up-Café. Dort gibt es zwar ein etwas größeres Sortiment als im Foodtruck, weil einfach mehr Platz da ist. Allerdings beschränkt sich die Intoleranz auf vegane Köstlichkeiten – damit dort sommers wie winters Veganerherzen höher schlagen können. Im Sommer befindet sich dort, wo jetzt Isi ihre Leckereien anbietet, die vegane Bio-Eismanufaktur IceDate. Für Isi ist die Untermiete ideal, denn „über kurz oder lang“ möchte sie den Foodtruck um ein Café ergänzen. Isis Ansporn:„Ich möchte auch stationär den Leuten was bieten“, sagt sie. Bis es soweit ist, kann man sich mit glutenfreien, veganen Waffeln, die neu auf der Karte sind, verköstigen – wahlweise mit süßem oder herzhaftem Topping. Jacqueline Lang
Barbara und die Muse - das ist ein spannendes Team, vor allem, wenn der Müßiggang in München so einfach und inspirierend ist. Hausarbeiten lassen sich jedes Jahr wieder schreiben, der Bandwettbewerb Sprungbrett 2016 im Feierwerk jedoch findet dieses Jahr nur einmal statt, genauso wie das Stück HÄNDE HOCH, DAS IST EIN ÜBERVOLL des Theaterkollektivs Turbowerk MUC oder auch die Lesung von Liaison n°14 im Haus der kleinen Künste.
Mir ist schon des Öfteren aufgefallen, dass ausgerechnet in der Prüfungs- und Hausarbeitszeit immer die coolsten Veranstaltungen stattfinden. Und ehrlich gesagt, kann ich nicht verantworten, dass ich mir das alles entgehen lasse. Hausarbeiten hin oder her. Es ist schließlich nicht meine Schuld, dass München immer so viel zu bieten hat. Diese Woche nehme ich mir den Luxus, ein bisschen zu prokrastinieren. Zumindest werde ich es versuchen.
Um den Kopf frei zu kriegen und das schlechte Gewissen abzuschütteln, bietet sich am Freitagabend das STROM an. Bei „up the bracket“ sind Indie-Feunde ganz Zuhause. Wanda, Alt- J und The Libertines verstehen mich. Sie wissen, dass ich auf die Tanzfläche gehöre und nicht an den Schreibtisch. Ich wage fast zu behaupten, dass ich an diesem Abend nicht die einzige Studentin sein werde, die im STROM ein bisschen vor sich hin prokrastiniert. Beginn ist um 23 Uhr; der Eintritt beträgt fünf Euro.
Ein ungeschriebenes Gesetz besagt, dass man samstagabends nicht lernen darf. Das Gleiche gilt bestimmt auch für Seminararbeiten. Und Gesetze zu brechen, ist nicht mein Stil. Also begebe ich mich ins Univiertel zum neuen In-Café Lost Weekend. Das Motto des Abends lautet „Open Stage“. Mutige Künstler haben hier Gelegenheit, in kurzen Takes aufzutreten. Der Fokus an diesem Abend wird insbesondere auf Musik, Literatur, Poetry und Performance gelegt. Beginn ist um 20 Uhr. Auch das Feierwerk bietet am Samstagabend musikalische Highlights. Das Sprungbrett 2016 ist ein Bandcontest für junge Musikgruppen aus München. 16 Bands stellen vor einer Fachjury ihr Können unter Beweis. Neben ausreichendem Feedback bekommen die vier Sieger-Bands auch eine Anschubfinanzierung zu einer Studioproduktion und einen Auftritt beim Theatron-Musiksommer im Olympiapark. An der Abendkasse kostet der Eintritt 4 Euro.
Sonntag ist der Tag der Ruhe. Und genau das brauche ich jetzt: Ein Schaumbad, ruhige Musik und eine Muse, die mich küsst. Ohne brillante Gedanken, kann ich auch keine Arbeit schreiben. So ist das. Während ich tagsüber Zeit habe, über den Sinn des Seins und Hausarbeiten zu sinnieren, muss ich mich abends anschnallen: Das Theaterkollektiv Turbowerk MUC verwandelt sich in Flugbegleiter, die das Publikum zu einem rasenden Flug auf der Suche nach dem Paradies einladen. Die Performance HÄNDE HOCH, DAS IST EIN ÜBERVOLL fühlt einem Phänomen unserer Zeit auf den Zahn: Übersättigung und Verwirrung statt Erfüllung und Sinnsuche. Ich bin gespannt auf den Abend.
Am Montag tue ich so, als würde ich schreiben. Am Schreibtisch zu sitzen, ist zumindest ein kleiner Anfang. Abends geht es dann ins Kino. „The Hateful Eight“ habe ich nämlich immer noch nicht gesehen. Sorry, liebe Hausarbeit. Gegen Quentin Tarantinos Westernfilme kommst du eben nicht an.
Am Dienstag kommt das schlechte Gewissen. Heute muss das Münchner Nachtleben auf mich verzichten. Die Muse und ich, wir müssen eine Seminararbeit schreiben.
Aber am Mittwoch habe ich genug davon. Ich brauche dringend etwas Abwechslung, und die finde ich in der Theaterakademie am Prinzregentenplatz. Dort wird das Theaterstück „Der Steppenwolf“ aufgeführt. Hermann Hesses Roman scheint auch in der heutigen Gesellschaft nicht an Brisanz zu verlieren. Der Zwiespalt von gesellschaftlicher Anpassung und dem Bedürfnis nach Individualität beschäftigt uns auch heute noch. Inszeniert wurde das Stück von Julia Prechsl; Beginn ist um 20 Uhr.
Am Donnerstagmorgen träume ich von meiner Seminararbeit. Buchstaben und Zitate schwirren in meinen Kopf herum. Ich möchte schreiben, aber es gelingt mir nicht. Das ist genug Anstrengung für den ganzen Tag. Ich gehe lieber zu der Werkschau „Aabbc“ in der Heitsch Galerie. Buchstaben und Formen werden an diesem Abend buchstäblich großgeschrieben. In bunten Farben und in wirren Konstellationen. So schwirren die Buchstaben bestimmt auch nachts in meinen Kopf weiter.
Am Freitag ist Wochenende. Ich widme mich den schönen Dingen des Lebens und lasse meine Arbeit links liegen. Wer an einer spannenden Lesung interessiert ist, sollte sich am Freitagabend ins Haus der kleinen Künste begeben. Dort wird eine Lesung mit Carola Gruber, Katharina Kohm und Samuel Langer abgehalten. Der Titel der Veranstaltung lautet Liaison n°14. Ich weiß zwar selbst nicht genau, was mich erwarten wird, aber ich finde, es klingt spannend. Nach der Lesung gehe ich vielleicht noch ein bisschen tanzen. Oder schreibe ich doch noch an der Seminararbeit? Wir werden sehen.
Esther Zull, 24, ist Volontärin in einer PR-Agentur und Mitbegründerin von wals.gallery e.V. Als Kuratorin des Vereins möchte sie jungen Künstlern eine Plattform bieten, sich in immer wechselnden Räumlichkeiten zu präsentieren.
Eine Insel mit zwei Bergen: Filmstudentin Eva Merz will in ihrem Abschlussfilm „Strings of Hope“ die Geschichte der Augsburger Puppenkiste erzählen. Gedreht wird in den USA. Doch nun droht das Projekt zu scheitern.
Urmel aus dem Eis, die Katze mit Hut, kleiner König Kalle Wirsch. Die Figuren der Augsburger Puppenkiste haben jahrzehntelang das Leben deutscher Kinder geprägt. Wer konnte es nicht mitsingen, das Lummerlandlied? So bekannt die Marionetten selbst sind, so wenig kennt man ihre Macher. Die Menschen, die sie schnitzen, sie liebevoll einkleiden, sie mit puppenspielerischem Können an den Fäden führen. Das möchte Filmstudentin Eva Merz nun ändern. Die 27-Jährige arbeitet derzeit an ihrem Abschlussfilm „Strings of Hope“, der die Geschichte von Walter Oehmichen und seiner Familie erzählt, den Begründern der Augsburger Puppenkiste. Doch Eva dreht nicht in Schwaben, sondern in Los Angeles. Mit amerikanischen Schauspielern. „Ich wollte keinen deutschen Film für deutsches Publikum drehen“, sagt sie, „sondern ein Stück deutsche Kultur in die Welt tragen.“ Die Puppenkiste sei in den USA kaum bekannt, erklärt Eva, die dort seit 2013 lebt und studiert.
Eva, geboren in Weilheim, hatte in München zunächst Fotodesign studiert, doch eigentlich wollte sie immer zum Film. Zwei Mal bewarb sie sich an der Filmhochschule in München. Zwei Mal wurde sie nicht genommen. So etwas kratzt am Selbstbewusstsein. Doch aufgeben, das konnte Eva nicht. Als Abschlussprojekt ihres Fotodesign-Studiums realisierte sie den Kurzfilm „Mondnacht“ basierend auf einem Gedicht von Joseph von Eichendorff. Über Jahre hatte sie versucht, Sponsoren und Förderer für den Film zu finden. Vergebens. Sie zahlte ihn letztlich aus eigener Tasche.
Eine gute Entscheidung, denn Mondnacht brachte sie in jenes Land, das für viele Filmemacher das Eldorado des Kinos ist: die USA. Sie hatte sich mit dem Film an mehreren Filmschulen dort beworben, gleich zwei lockten mit Stipendien, weil sie von der Arbeit der jungen Frau begeistert waren. Eine neue Erfahrung für Eva. „Mir wurde in Deutschland immer erzählt, was ich alles nicht machen kann“, sagt sie, „die Lebenseinstellung in L.A. ist viel motivierender. Hier glauben die Leute an ihre Träume.“ Das tat auch Eva – und wanderte 2013 aus, um am American Film Institute Conservatory zu studieren, zu dessen Absolventen Regisseure wie David Lynch zählen. Aber der Traum vom Filmemachen klang schöner, als er war: Nach einem Jahr Studium wurde Evas Stipendium nicht verlängert. 50 000 Dollar hätte sie allein für die Studiengebühren aufbringen müssen. Zu viel für Eva. Sie brach das Studium ab.
Manch anderer wäre enttäuscht nach Deutschland heimgekehrt. Nicht so Eva. Für Menschen wie sie gibt es das schöne Wort „Stehaufmännchen“. Das sind Puppen mit rundem Unterkörper, deren Schwerpunkt so liegt, dass sie sich immer wieder von selbst aufrichten, egal in welche Schieflage sie geraten sind. Eva hat sich wieder aufgerichtet: Mittlerweile ist sie im UCLA Extension-Programm, einer Art Fortbildung, um eine zusätzliche Expertise im eigenen Job zu bekommen. Solche Kurse gibt es auch für Regie. Um ein Zertifikat dafür zu bekommen, muss Eva nun ihren Abschlussfilm realisieren.
In „Strings of Hope“ versucht sie, die Entstehung der Augsburger Puppenkiste nachzuzeichnen. Es ist eine Geschichte, die 1945 beginnt. Da gibt es den Augsburger Schauspieler Walter Oehmichen, der bereits während des Krieges den Traum vom eigenen Figurentheater hegt und nun versucht, aus dem Nichts ein Theater hochzuziehen. Doch wie soll das nur funktionieren, wo Deutschland in Schutt und Asche liegt? Wie soll man damit eine Familie ernähren? Hinzu kommt: Oehmichen war im Dritten Reich der NSDAP beigetreten, um seinen Job als Oberspielleiter am Theater Augsburg zu behalten, wurde später sogar Landesleiter der Reichstheaterkammer. „Er wollte verhindern, dass ein hochrangiger Nazi auf diesen Posten kommt“, erklärt Geschichtswissenschaftler Matthias Böttger der seit mehr als einem Jahrzehnt die Geschichte der Puppenkiste aufarbeitet, „doch das hat sich später sehr gerächt.“ Oehmichen, der bereits 1945 den Antrag stellt, die Puppenkiste eröffnen zu dürfen, wird von den amerikanischen Besatzern zunächst als verdächtig eingestuft. Die Genehmigung für das Theater gibt es erst mal nicht. Drei Jahre dauert es, bis es zu einer Anhörung kommt. Er wird freigesprochen. Vermutlich auch, weil er während des Dritten Reichs Stücke inszenierte, die eigentlich verboten waren. 1948 kann die Puppenkiste eröffnet werden.
Diese Dinge richtig wiederzugeben, das ist Eva wichtig. Sie hat Oehmichens Erben getroffen, mit ehemaligen Mitarbeitern gesprochen, Einblick in Familienalben bekommen. Mehr als ein Jahr recherchiert sie nun schon. „Deutsche in Hollywood sind oft die bösen Nazis“, sagt Eva, „da gibt so ein Schwarz-Weiß-Denken.“ Ihr gehe es darum, in ihrem Kurzfilm auch die „Grautöne“ wiederzugeben, die Brüche in der Biografie ihrer Figuren sichtbar zu machen. Oehmichen, so formuliert Historiker Böttger es, sei im Dritten Reich tatsächlich eher unpolitisch gewesen, „aber die Erfahrung der Kriegswirren hat ihn stark geprägt. Er war später sehr links.“
Trotzdem erzählt „Strings of Hope“ vorrangig eine Familiengeschichte. Eva geht es um die Interaktion zwischen Oehmichen und seiner Tochter Hannelore, die jene liebgewonnenen Figuren wie das Urmel geschnitzt hat, mehr als 6000 Stück. Die Eltern hatten Hannelore, 1945 fast noch ein Kind, zunächst das Schnitzen verboten. Der Film beschäftigt sich mit genau diesem Konflikt. Und mit der Hoffnung, die Theater in einer Zeit der Not geben kann. „Ich bin großer Fan von Märchen, Mythen, Puppenspiel, weil ich glaube, dass das heilende Wirkung hat. So etwas gibt einem Kraft in Zeiten von Krieg oder Hunger.“
Wenn Eva das sagt, weiß man, warum der Film ihr am Herzen liegt. Sie hat es selbst so oft erlebt, das Scheitern. Den ständigen Neustart. Das Gefühl, aus dem Nichts etwas schaffen zu wollen. Momentan versucht sie, für Strings of Hope eine Finanzierungsmöglichkeit zu finden. 26 000 Dollar wollte sie über die Plattform Kickstarter sammeln, doch es kam nicht annähernd genug Geld für den Kurzfilm zusammen. Strings of Hope hängt buchstäblich am seidenen Faden. In den kommenden drei Wochen muss sie das Geld auftreiben, sonst scheitert das Projekt. Eva wirkt nicht verbittert oder gar deprimiert, wenn sie das ausspricht. Man merkt, sie will das, unbedingt. Irgendwie wird es gehen. Muss es gehen. Denn Eva hat Großes vor: Falls ihr Projekt gut ankommt, will sie die Geschichte noch einmal erzählen. Als Spielfilm. Gedreht wird dann aber nicht nur in den USA, sondern auch in Schwaben.
Momentan porträtiert Lion Mayer meistens Menschen. Aber manchmal, so wie an dem Tag an der Pinakothek, sieht er ein Motiv und muss es einfach festhalten - auch dann, wenn er nur sein Handy und nicht seine analoge Kamera griffbereit hat.
Für Lion Mayer ist es wichtig, sich beim Fotografieren mehr auf das Motiv zu konzentrieren. Genau jene Gedankenfreiheit war an einem Sommertag im Juli von großer Bedeutung. Lion war gerade mit einem Freund an der Alten Pinakothek unterwegs, um sich ein Basketballspiel anzuschauen, als der junge Fotograf sein Handy zückte, sich nicht von diversen Kameraeinstellungen, wie zum Beispiel der Belichtungszeit, ablenken lies und ein Foto machte.
Lion ist in der Maxvorstadt aufgewachsen und dort oft auf Motivsuche. „München ist ein bisschen langweilig, aber wenn man ein wenig sucht, findet man schon interessante Motive“, sagt Lion. Wenn er nicht gerade nur mit seinem Handy ausgerüstet ist, fotografiert der 18 Jährige viel mit seiner analogen Kamera. „Die Farben. Das Korn. Die Qualität“, sagt er. Im Moment arbeitet er an privaten Projekten und porträtiert dafür oft Menschen. Authentizität ist ihm dabei sehr wichtig. Die Personen sollen sich nicht verstellen und sich wohlfühlen.
Ob er einmal in die Fußstapfen seines Vaters tritt, der ein erfolgreicher Porträtfotograf ist, weiß er noch nicht. Schule ist erst mal wichtiger. Er geht im Moment in die 11. Klasse des Gymnasiums. „Für mich ist es mehr ein Hobby, das viel Zeit in Anspruch nimmt und aus dem auch was herauskommt. Einfach immer weiter arbeiten und daran wachsen“, sagt Lion.
Vom US-Wirtschaftsmagazin Forbes zu den 30 wichtigsten Social Entrepreneurs unter 30 Jahren gezählt zu werden, wäre sicher für einige Menschen ein erstrebenswertes Ziel. Jakob Schillinger, 26, hat genau das geschafft: Als Mitbegründer des Vereins „OneDollarGlasses“ wurde er in der Kategorie Social Entrepreneurs für sein Engagement ausgezeichnet. Der ehemalige Psychologiestudent sieht sich aber nur als Teil von etwas Großem – es geht ihm nicht um sich selbst, sondern vielmehr um die Menschen in den jeweiligen Ländern.
SZ: Glückwunsch! Wie fühlt man sich, wenn man zu den 30 wichtigsten Menschen unter 30 zählt? Jakob Schillinger: Im Großen und Ganzen ist es natürlich eine schöne Auszeichnung. Ich sehe das aber nicht als Auszeichnung von mir, sondern vom ganzen Verein und der Arbeit, die wir machen. Es ist ein, sagen wir mal, schöner Stempel, dem man dem Projekt aufdrücken kann, der international anerkannt ist und der natürlich auch Türen öffnen kann und das Projekt bekannter macht.
Aber Forbes hat nicht das Projekt ausgezeichnet. Natürlich. Aber das, was mich erfüllt, ist die Arbeit, die wir machen. Und daran wird sich nicht viel ändern. Wir machen genauso weiter wie davor.
Es geht um die Ein-Dollar-Brille. Mehr als 150 Millionen Menschen auf der Welt bräuchten eine Brille, können sich aber keine leisten. Kinder können nicht lernen, Eltern können nicht arbeiten. Du bist Mitbegründer des Vereins Ein-Dollar-Brille. Wer hatte die Idee? Die Idee kommt nicht von mir, sondern von Martin Aufmuth. Ein ehemaliger Lehrer aus Erlangen. Der hat die Maschine erfunden, mit der die Brille hergestellt wird.
Wie kam er auf diese Idee? Er hat in dem Buch „Out of Poverty“ von Paul Polak gelesen, dass eines der großen Weltprobleme ist, dass es keine Brille unter einem Dollar gibt. Ich bin Ende 2012 zum Verein gekommen und habe dann gemeinsam mit Martin Aufmuth den Rollout in den verschiedenen Länder angepackt.
Welche Länder? Ich war in Ruanda dabei, in Benin, in Bolivien, in Brasilien und jetzt konkret konzentriere ich mich auf Burkina Faso. Ich bin dafür verantwortlich, das komplette Projekt in Burkina Faso umzusetzen.
Ein Euro? Wie schafft ihr es, die Kosten für die Brillen so niedrig zu halten? Die Maschine ist sehr einfach. Die Rohmaterialien sind nur ein Federstahldraht, ein Plastikstrumpfschlauch und die Linsen. Die Kosten für diese drei Materialien liegen unter einem Dollar. Verkauft wird die Brille für zwei, drei landesübliche Tageslöhne.
Und die individuelle Anpassung an den Kunden? Auch sehr einfach. Du kannst bei der Brille die Linsen rausnehmen und reinklicken. Das heißt, du hast ein Klick-Verfahren, bei dem du Leute ausmessen und dann im gleichen Zug die Brille verkaufen kannst.
Klingt sensationell simpel. Warum sind dann Brillen in Deutschland so teuer? Die Frage ist: Wer verdient daran? Die Profitmargen auf Brillen in Deutschland sind sehr hoch. Wenn du dir anschaust, wo die Optiker in München sind, da sind viele in bester Lage. Dazu kommen hohe Marketingkosten. Das bedeutet natürlich auch riesige Unternehmen, die daran interessiert sind, Gewinn zu machen. Die Frage ist: Wie viel Gewinn will ein Optiker machen?
Eure Antwort? Unser Ziel ist es nicht, Gewinn zu maximieren. Oder sagen wir mal: Unser Ziel ist es Gewinn zu machen in der Hinsicht, dass du, wenn du Gewinn machst, langfristig und nachhaltig arbeiten kannst.
In wie vielen Ländern wird die Ein-Dollar-Brille mittlerweile hergestellt? Ich muss mal kurz nachzählen, das verändert sich fast monatlich. Wir haben in Afrika Burkina Faso, Benin, Malawi, Ruanda. Und dann haben wir in Südamerika Bolivien, Brasilien und Mexiko. Also in sieben Ländern.
Was kommt 2016? Für 2016 ist es unser Ziel, in Burkina Faso in den großen Städten ein Vertriebsnetz aufzubauen, das allen Menschen zugänglich ist. Der zweite Schritt ist es dann, raus aus der Stadt zu gehen.
Aber warum ausgerechnet Brillen. Gibt es nicht auch andere Notlagen? Die Ein-Dollar-Brille ist ein Herzensprojekt, sonst wäre ich nicht seit drei Jahren dabei. Es gibt natürlich viele, viele weitere Themen, die in Entwicklungsländern von Interesse sind. Aber fehlende Brillen sind ein High-Impact-Problem, das es zu lösen gilt. Denn dadurch, dass Leute nur schlecht sehen, können sie auch viele andere Sachen nicht machen. Das Vertriebsnetz, das wir aufbauen, kann dann zu einem späteren Zeitpunkt auch für weitere Produkte und Dienstleistungen genutzt werden.
Das hat also auch wirtschaftliche Folgen? Weil 700 Millionen Menschen keine Brille haben, spricht die Weltgesundheitsorganisation von Wirtschaftseinbußen von 120 Milliarden Dollar im Jahr. Das entspricht dem Betrag, der weltweit in Entwicklungshilfe investiert wird. Das heißt: Dieses Problem zu lösen, hat weit positivere Auswirkung als nur die Tatsache, dass mehr Menschen plötzlich wieder besser sehen können.
Wenn die Fotografin Verena Vötter Musik macht, nennt sie sich Oh Girl!. Ihre Musik ist genauso süß, wie der Name es vermuten lässt und bleibt dabei doch immer authentisch.
Es wirkt fast ein bisschen despektierlich. Oh Girl! nennt sich die Fotografin Verena Vötter als Musikerin. „Oh, Mädchen, was hast Du Dir noch dabei gedacht?“, hallt es ermahnend im Kopf nach, wenn man diesen Künstlernamen liest. „Oh, Girl, da ist Hopfen und Malz verloren“, klingt das erzieherische Besserwissertum und das didaktische Gefälle, das in dieser Phrase liegt. Mädchen, diese schon im Wort angelegte Verniedlichungsform, die unangemessen für eine junge, aber erwachsene Frau zu sein scheint, wie es Verena ist. Doch das Niedliche prägt das Bild, das Frauen heutzutage gerne von sich verkaufen – egal wie alt sie sind, ein Schuss Kleinmädchenhaftigkeit findet sich fast überall. Doch es gibt einen Weg das umzudrehen: Vorgemacht hat das gerade Beyoncé in ihrem aktuellen Video zu „Formation“. Da wird der booty-shakende Gruppen-Formationstanz von Sexyness zum Erreichen einer tatsächlich bedrohlich wirkenden, starken Frauengruppe transferiert – Verena Vötter wählt als Oh Girl! einen gegenteiligen Weg, der aber einen ähnlich beschützendem Effekt hat.
Denn bei Oh Girl! ist alles süß, bei Oh Girl! geht es um die Liebe, da ist die Stimme zart und das Gitarrenspiel schön – und Verena, die sich gern beim Kosenamen Neni nennt, zieht das mit einer derartigen Konsequenz durch, dass das Mädchenhafte nicht anbiedernd, sondern fast authentisch wirkt. Sofern man innerhalb der Popmusik überhaupt von Authentizität sprechen kann. Denn auch Verena, die man in München bisher hauptsächlich aufgrund ihrer fotografischen Tätigkeit kannte, kennt sich natürlich mit Inszenierung aus; vor allem mit der Inszenierung von Liebe. Denn der Liebe, die gesellschaftliche Konventionen überspringt, widmete sie ihre Bachelor-Arbeit in Fotografie: Unter dem Titel „it’s love, actually!“ porträtierte sie gleichgeschlechtliche Paare. Und das Thema Liebe, deren Unbedingtheit, findet sich auch in ihrer Musik. Am vergangenen Freitag hat sie dazu eine EP veröffentlicht. „Share your Love“ heißt die, darauf erzählt sie in fünf schlichten Akustik-Gitarren-Songs eine Liebesgeschichte: Vom ersten Track „Lovely Day“ über dunkle Zeiten („Lost“) zu Verdrängung („Don’t say her name“), endet diese Liebes-Konzept-Platte mit dem Titeltrack „Share your Love“, unterlegt von aufbruchsfreudigem Ukulelen-Geschrabbe. Und damit vermischt sich Autobiografie und Kunstkonzept: Denn die EP funktioniert sowohl als dramaturgisch-gedachte Konzept-Ep zwischen Soap-Opera und Düsterkeit, als auch als psychologische Hintertür für Verena selbst: „Ich kann mit keinem anderen Werkzeug Liebeskummer so gut verarbeiten wie mit meiner Stimme und meiner Gitarre“, erklärt sie: „Das Songwriting hilft mir sehr, meine Erlebnisse zu erzählen und auch oder vor allem traurige Geschichten zu verarbeiten.“
Doch ihre Musik verbreitet sich gerade ähnlich, wie sie es von der Liebe darin fordert. Im August vergangenen Jahres hatte sie ihre erste EP veröffentlicht. Zahlreiche Konzerte folgten. Da sich Verenas Musik in ihrer Schlichtheit keinem Stil besonders zuordnet, passt sie auch gut zu diversen Bands, was ihr einige Support-Auftritte für namhafte Künstler verschaffte – unter anderem als Vorgruppe zur Bierzelt-Tour von La Brass Banda. Und für die Produktion ihrer aktuellen EP konnte sie Oliver Anders Hendriksson von den Young Chinese Dogs gewinnen. Fünf Songs, die mal von subtilem Drama zerrissen werden und dann wieder schmeichelnd von positiveren Zeiten erzählen.
Stil: Akustik / Folk Besetzung: Verena Vötter (Gitarre, Gesang) Seit: 2014 Aus: München Internet:www.soundcloud.com/ohgirl_music
Oda Tiemann ist Sängerin der Band Oda&Sebastian. Die 22-jährige will es aber nicht dabei belassen: Seit dem vergangenen Jahr versucht sie sich aber auch als Künstlerin. Zu sehen ist ihre Arbeit als Bühnenbild des Stücks “Hände hoch, das ist ein Übervoll” und im März im Farbenladen.
Oda Tiemann, 22, dürfte den meisten Münchnern bislang am ehesten als Sängerin bekannt sein. Erst als Sängerin der Band Tuó, seit knapp zwei Jahren von Oda & Sebastian. Doch neben der Musik macht Oda auch Kunst. Während einer Praktikumsphase beim International Munich Art Lab, kurz IMAL, hat sie zusammen mit Denise Mathiesen, 19, für das Stück „Hände hoch, das ist ein Übervoll“ des Inklusiven Münchner Theaterkollektivs Turbowerk MUC das Bühnenbild und Installationen gebaut und entworfen. Zu sehen war das Stück zum ersten Mal am vergangenen Sonntag, eine weitere Aufführung findet am 20. Februar im Köşk, Schenkstraße 8, statt. Wie die Schauspieler in dem Stück, ist auch die junge Künstlerin Oda noch auf der Suche. Im Dezember 2015 entstand als Teil dieser Selbstfindung das Projekt 21 Tage, „220 Selbstporträts mit Notizen, Gedanken, Empfindungen, Reaktionen, Humor, Kritik und Reflexion“. Das Projekt war Teil der Imal-Winterausstellung zum Thema Obsession. Im März wird Oda ihr neuestes Projekt im Farbenladen vorstellen.
Grau ist auch dann keine Farbe, wenn man sie mit Astra-Bier und dem guten 3-Euro-Wein von Tengelmann vermischt - findet zumindest Matthias. Weil an Urlaub wegen diverser Unifristen gerade gar nicht zu denken ist, schaut er sich stattdessen im Café Kosmos Urlaubsfotos von Russen auf der Krim an oder wartet darauf, dass ein selbsternannter Magier beim Munich Magic Slam einen weißen Hasen oder seine Brieftasche verschwinden lässt. Ob der auch den Unistress verschwinden lassen kann?
Ende Februar. Das Münchner Wetter macht seinem Namen mal wieder überhaupt keine Ehre. Gab es da nicht vor ein paar Wochen erst eine Statistik, nach der München die sonnigste Stadt Deutschlands ist? I call Bullshit. Ich mein, das graue Wolkengedöns am Himmel sieht ja schon sehr flauschig aus, nur wirkt das von unten nicht so wirklich einladend. Und: Grau ist keine Farbe. Wer das behauptet, hat keine Ahnung. Zumindest will ich heute über Farbe lernen – ich geh zur Semesterausstellung von der IFOG Akademie. Titel ist passend: Farbe. Heute ist Vernissage, und als Zuckerl gehen die Erlöse an einen guten Zweck. Ich kann mir zwar eh nichts leisten – aber dafür ist der Eintritt ja auch umsonst.
Urlaub soll ja auch helfen gegen die Alltagsbetrübtheit. Urlaub in besetzten Gebieten, zum Beispiel. Wobei, besetzt stimmt ja nicht – ging ja alles mit rechten Dingen zu auf der Krim! Das erinnert mich – ich muss noch meine Arbeit als Putintroll in Rechnung stellen…anyway. Die Russen wussten nämlich längst vor der Ukrainekrise, dass man an der Krim superb entspannen kann. Blöd, dass der Begriff Ballermann mittlerweile einen anderen Unterton bekommen hat. Fotograf Jonas Nefzger war zumindest in Yalta und hat Urlaubsfotos gemacht – die Austellung beginnt heute im Café Kosmos. Da geh ich auf jeden Fall hin. Astra-Bier auf den Stränden von Yalta - wie damals Winny Churchill und Kollegen. Pervers.
Inspiriert von den Modesünden der russischen Annexationstouristen brauch ich heute neues für den Kleiderschrank. Man muss ja mit der Mode gehen – wer weiß, vielleicht verbringe ich den Sommer auch am Schwarzen Meer? Also steuere ich mal vorsichtig den Handmade Designmarkt an. Ich krieg ziemlich schnell den Eindruck, dass Mode und Mode nicht das gleiche sind. Aber ich bin dann doch begeistert von einem Designer, der nur mit Kork arbeitet. Korktaschen, Korklesezeichen, sogar wieder verwertbare Korken für den Wein macht der Gute. Neben mir trollt ein Kleinkind auf dem Boden rum – der Sohn des Korkdesigners. In alter Familientradition wird der Kleine mit einem Schnuller aus Kork ruhig gestellt. Irgendwie sind wir beiden die einzigen, die den Stand beachtet. Tja, wir sind halt Korkenlutscher, scheinbar. Feierabend, aber ich bin auf den Geschmack gekommen. Mal schauen, welchen 3-Euro-Wein der Tengelmann noch rumstehen hat.
Farbe, Fotos und Flaschenwein haben mich immer noch nicht aus dem grauen Blau meiner Ende-Winter-Blues reißen können. Vor allem schaltet sich die Uni mal wieder dazwischen – so einige Hausarbeiten stehen halt schon noch an. Aber die bringen mich nicht wirklich zum Lachen, und darauf hab ich heute Bock. Also auf zur Freiheit, wo Peter Fischer mit einer neuen Mixed Show an der Start geht. Kabarett ist zwar alte Schule, aber großer Spaß – die SZ beschreibt Fischers Texte als komödiantisch-sarkastisch und gesellschaftskritisch. Solange er über HIV und einvernehmlichen Sex singt, kann ich damit leben – soll ja keiner sagen, die Kombination gäbe es nicht! Ich lache auf jeden Fall gut – schöne monatliche Sache, das.
Gewissensbisse. Die Deadlines an der Uni kommen näher. Ich brauche einen Plan. Am besten ein perfider Plan, wie ich die Deadlines umgehen kann. Wieder ein fehlerhaftes Word-Dokument abschicken? Nein, der Trick zieht nicht mehr. Ehrlich sein? Ha! Ich raff mich auf und geh mal in die Bibliothek. Warum kann nicht heute die Lange Nacht der aufgeschobenen Hausarbeiten sein? Es macht einfach viel mehr Spaß, mit anderen Verzweifelten gemeinsam nichts zu tun – und sich dabei einzureden, man wäre ja so elitär. Ich mein, wer besucht denn freiwillige Uni-Veranstaltungen spätabends? Zurück zur Hausarbeit – kann ich meine Graue Umgebung irgendwie in die Fragestellung einbauen? Mal schauen: Black Consciousness, White Consciousness = Gray Consciousness? Macht Sinn. Checkmate.
Eigentlich wäre der Plan noch bösartiger, wenn ich die Hausarbeitenthemen einfach verschwinden lasse? Oder den Professor? Hm. Das könnte auffallen, dann doch lieber gleich den ganzen Lehrstuhl. Aber wie macht man das? Mir fällt spontan David Copperfield ein, aber ich glaube der war kein wirklicher Magier – der hatte nur sehr wenige Freunde früher und musste Kartentricks lernen! Quatsch, eigentlich sind „Magier“ sehr cool – und das bringt mich auch auf eine Idee. Heute ist nämlich Munich Magic Slam, definitiv eine Veranstaltung, von der ich nicht dachte, dass sie existiert. Fünf Magier buhlen um die Kunst des Publikums – wie gesagt, wer etwas verschwindet lässt, hat meine Stimme. Meine Mutter hat immer gesagt, Magier sind Hochstapler – das Einzige, was da verschwindet, sei meine Brieftasche – ach, sind doch alles Klischees!
Siegfried und Roy und Kollegen haben mich beeindruckt – ich hab mir grad bei Amazon das Kleine Buch für kleine Zauberer bestellt, Alterempfehlung 5 bis 9. Ich hab trotzdem Schwierigkeiten, das sieht halt schon einfacher aus als es ist. Ich krieg Hunger. Gut, dass in der WG noch Überreste vom Superbowl rumliegen – wir haben uns halt mal wieder total verplant. Während die Hotdogs vor sich herkochen, sehe ich mich einem meiner größten Angstgegner gegenüber – dem Wurstwasser. Definitiv in meiner Top Drei der abartigsten Dinge überhaupt. Ich will überhaupt nicht auf die Top Zwei eingehen – jetzt brauch ich ablenken. Heute Abend steigt die Zweite Auflage von 4x4 Singer/Songwriter unplugged in den BavariaMusikstudios. Essen gibt’s, Trinken gibt’s – und weder das eine noch das andere ist Wurstwasser. Puh – Erleichterung.
Nach schwerer Nacht bringe ich mein Trauma kurzfristig hinter mich – so schnell wird es wohl keine Hotdogs mehr geben. Ich mach heute erstmal nichts – aber Stefi hat heute Abend Geburtstag, und da geh ich hin. Zurück ins Café Kosmos, zurück an alte Strände mit bekanntem Bier. Bei zweiter Betrachtung kriegt mein kleiner Kosmos wieder etwas mehr Farbe. Liegt vielleicht an der Sonne auf den Bildern. Oder an der Roten Sonne, zu der wir nach dem Geburtstag weiterziehen? Eigentlich ein neuer Horizont, weil ich den Laden nicht mag. Aber, wenn ein Club den Künstler – Mala - nicht beschreiben kann, „weil Worte aufgrund der Unbeschreiblichkeit wie Speaker in den Clubs unter der Wucht ihrer Bass-Granaten zerbröckeln“, dann muss das gut sein. Oder triple-gut, wie die Kollegen von jetzt.de sagen würden. Na, dazu sag ich jetzt mal nichts. Obwohl, doch: Wer Sprache so misshandelt, kotzt mich an. Nein, halt, neuer Begriff. Das kirscht mich an. Over and out.
Seit 2011 ist Gregor Sandler mit seinem Soloprogramm GrGr unterwegs. Musik macht der 22-jährige mit Hilfe zweier Gameboys. Chiptune oder 8-Bit-Punk nennt man diese Art der beschränkten Musikerzeugung. Wenn der junge Münchner mal nicht wild die Tasten drückt ist er eine Pädagogische Hilfskraft oder frühstückt nach einer durchzechten Nacht gemütlich mit seinem Freund.
Hier beginnt mein Abend: Meistens zu Hause
Danach geht’s ins/zu: Freund*innen, Kafe Marat, KISTE, Stattpark OLGA, Kafe Kult, Feierwerk, Südstadt, irgendwelche Kneipen, wenns warm ist an die Isar oder auf die Straße
Meine Freunde haben andere Pläne. So überzeuge ich sie vom Gegenteil: „ich kauf euch Schnaps“
Mit dabei ist immer: ???
An der Bar bestelle ich am liebsten: Bier, Gin Tonic, Pfeffi
Der Song darf auf keinen Fall fehlen: Knochenfabrik – Filmriss Gigi D’Agostino - L'amour Toujours Bikini Kill – Rebel Girl
Mein Tanzstil in drei Worten: Arme machen mit
Der Spruch zieht immer: ??? weiss nicht was ihr meint
Nachts noch einen Snack. Mein Geheimtipp ist: Dieser Pizzaladen am Sendlinger Tor
Meine dümmste Tat im Suff war: Das erzähl ich lieber persönlich <3
Das beste Frühstück nach einer durchfeierten Nacht gibt`s im/bei: Bei meinem Freund oder bei meinen Eltern
Diesem Club/dieser Bar trauere ich nach: Keine Ahnung, Atomic vielleicht
Für sein Filmdebüt hat Matthias Raffeis eine Produktionsfirma aus LA gefunden. Als Darsteller hat der 26-Jährige gleich mal eine deutsche Musik-Größe angefragt.
Matthias Raffeis, 26, ist ein Klischee. Das sagt zumindest der weiße, handgeschriebene Schriftzug auf dem Rücken seiner Lederjacke. Matthias sitzt in der gleißenden Wintersonne vor dem dunkelgelben Holz des runden Hangers, in dem sich die Kulissen der „Unendlichen Geschichte“ verbergen. Hier, auf dem Gelände der Bavaria-Filmstudios, hat Matthias Filmregie studiert. Vor beinahe zwei Jahren hat er das Studium an der privaten Medienakademie abgeschlossen. Er träumt wie so viele von einer Karriere, am besten in Hollywood. Nur ist er, anders als viele, schon ein wenig näher dran. Denn er hat eine renommierte und in den USA ausgezeichnete Produktionsfirma für seinen ersten Film gefunden. Matthias, schwarz gefärbte, in alle Richtungen abstehende Haare bis auf eine sorgfältig nach unten gegelte Strähne, trägt Springer-Stiefel und einen Nieten-Gürtel. Früher hat er sich jeden Tag einen schwarzen Balken über die Augen geschminkt. Warum? Habe ihm damals gefallen.
Aus Klischee-Punker wird Klischee-Filmemacher. Er möchte Hollywood erobern. In seinem Film „Island of Individuals“ wird es um eine Gruppe Jugendlicher gehen, kaum überraschend sind es Punks, die sich in einer düsteren Zukunftsvision im Jahr 2089 von der Gesellschaft absetzen und auf eine Insel flüchten. Eine Insel, auf der ihre Individualität, symbolisiert durch grell-fröhliche Neonfarben, wieder sprudeln kann. Die Welt der ernsten Erwachsenen dagegen wird in schwarz-grauem „Sin-City-Look“ gehalten werden, sagt Matthias. Für den 26-Jährigen bestehen keine Zweifel an der Umsetzung des Drehbuchs, für das er die Idee schon im ersten Studienjahr hatte. In Zusammenarbeit mit der Produktionsfirma Roll Call Productions, die ihren Sitz in München und in Los Angeles hat, soll der Film spätestens in vier Jahren in die Kinos kommen. „Am Anfang, als herauskam, dass ich den Film tatsächlich machen darf, hatte ich Tränen in den Augen“, sagt er. „Selbstverständlich ist es oft noch sehr emotional für Matthias, wenn es um seine Ideen geht. Das ist sein Baby und da will er sich natürlich nicht reinreden lassen“, sagt auch Heide Fliegner, die Leiterin der Produktionsfirma, die in den USA bereits für mehrere ihrer Independent Filme ausgezeichnet wurde. „Island of Individuals“ ist in dem Sinne ein besonderes Projekt für sie und ihre Firma, als dass sie mit Matthias mit einem sehr jungen und auch unerfahrenen Partner zusammenarbeiten. „Aber da er aus einer speziellen Ecke kommt und die Idee an sich sehr groß angelegt ist, sind wir von dem Projekt überzeugt und werden es mit den höchstmöglichen Standards umsetzen“, sagt Fliegner. Aus einer speziellen Ecke kommt Matthias für Fliegner, weil er bis zu seinem zwölften Lebensjahr selbst in Kalifornien gelebt hat und deshalb die jeweiligen Maßstäbe kennt, an denen Filme in beiden Ländern gemessen werden. „Da es einfacher ist, von englisch auf deutsch zu synchronisieren und es in Hollywood eine sehr viel größere Auswahl an Schauspielern gibt, soll der Film auch dort produziert werden“, sagt Matthias. Zuhause fühlt er sich in den USA trotzdem nicht mehr. „Es war sehr schwer, von dort wegzugehen, als meine Eltern wegen ihrer Arbeit mit meinem Bruder und mir umgezogen sind, und ich bin jemand, dem Heimat sehr wichtig ist“, sagt er und blinzelt in die Sonne. Für seinen Film hat Matthias auch eine Crowd-Funding-Kampagne gestartet. „Ziel war, die damit verbundene Facebook-Gruppe auf 10 000 Mitglieder zu erweitern. Ich dachte, wenn jeder einen Euro spendet, hätte ich schon einmal 10 000 Euro mehr, um gute Effekte sicherstellen zu können“, sagt Matthias und wirkt dabei enttäuscht. Die Kampagne läuft nämlich nicht so: Die Gruppe umfasst zwar 9500 Mitglieder, aber nur knapp 3000 Euro wurden gespendet. Das ist möglicherweise die Kehrseite des Klischees. Matthias ist bewusst, dass er allein durch sein Aussehen aneckt. Immer wieder bekommt er in der U-Bahn abfällige Blicke zugeworfen, zusammen mit den Vorurteilen über Punks: die gehen nicht arbeiten, nehmen Drogen, duschen sich nicht. Das verhärtet sein eigenes Vorurteil gegenüber der Gesellschaft. Matthias macht sich Gedanken darüber, ob Kinder ihre Individualität freier ausleben können als Erwachsene. Und auch darüber, ob Kinder ohne Erwachsene, die ihnen Regeln und Verbote auferlegen, zurechtkommen würden. Wie sich die Geschichte in seinem Film entwickeln wird, will er noch nicht verraten. Matthias träumt von einem Ende der „Ellbogengesellschaft“. Ihm ist bewusst, dass seine Nietengürtel und Springer-Stiefel etwas Uniform-artiges sein können. Deshalb wird es in „Island of Individuals“ vielleicht auch eine kleine Hommage an die wahren Punks geben: Man sei mit dem Agenten von Campino von den Toten Hosen im Gespräch, für die Rolle eines der Erwachsenen. Da lacht er. Ja, für ein Punk-Kind wäre der leider schon zu alt.
Für einen Freiwilligendienst geht Valerie Seitz nach Äthiopien. Anfangs fühlt sie sich dort gar nicht wohl, doch nach einer Reise mit ihren Eltern und ihrem Freund Abiy beschließt sie zu bleiben. Mit dem von ihr gegründeten Verein Enat Ethiopia will sie nun den Öko-Tourismus im Land fördern.
Ferengi. Das bedeutet auf Amharisch, der Amtssprache Äthiopiens: Weiße, Ausländer. Mit ihren blonden Engelslocken und den Sommersprossen auf der Stupsnase kann Valerie es ohnehin nur schwer verbergen: Sie kommt nicht aus Afrika. Und fühlt sich dort doch so angekommen. So sehr, dass sie einen gemeinnützigen Verein gegründet hat und dort hinziehen wird, obwohl sie zu Beginn eigentlich nur wieder weg wollte. Eine Geschichte über Liebe auf den zweiten Blick.
Nach ihrem Abitur 2014 entscheidet sich die Münchnerin Valerie Seitz, 19, zunächst für einen Freiwilligendienst. Ein halbes Jahr reicht ihr, weshalb sie bei einer Organisation in Äthiopien landet, die auch halbjährige Volontariate anbietet. „Ich wollte schon immer nach Afrika“, sagt Valerie. Äthiopien hingegen war reiner Zufall.
Die kleine Hilfsorganisation bei der sie in der Hauptstadt Addis Ababa arbeitet, organisiert AIDS- und HIV-Aufklärungsprojekte. Oder zumindest soll Valerie das mit Beiträgen auf der Homepage belegen. Sie selbst sagt, dass vieles gar nicht stattgefunden hat und sie sich für falsche Zwecke benutzt fühlte. Nach der Hälfte der Zeit will Valerie ihre Koffer packen. Ihre Eltern kommen sie besuchen und nach einer gemeinsamen Reise zusammen mit ihrem äthiopischen Freund Abiy will sie eigentlich zurück nach Deutschland. Doch es kommt alles ganz anders, und Valerie beschließt zu bleiben. Denn sie hat sich verliebt. In Abiy im Speziellen und in Äthiopien im Allgemeinen.
Mit neuem Elan entwickelt Valerie nun selbst Ideen, um den Menschen vor Ort zu helfen. „Das Bild, das wir von Äthiopien haben, stimmt überhaupt nicht“, sagt Valerie, die einen dicken Schal um den Hals geschlungen hat, wie er in Äthiopien üblich ist. Nicht jedes kleine Kind hat einen dicken Bauch, weil es unterernährt ist, und Äthiopien ist nicht nur rote Erde. Trotzdem herrscht große Armut. Valerie kann nicht länger wegsehen und will handeln.
Als ihr Vater an seinem Geburtstag einen Spendenaufruf startet, kommt genug Geld für Uniformen zusammen, die Kinder brauchen, um in die Schule gehen zu dürfen. Außerdem baut Valerie einen alten Hühnerstall zu einem kleinen Computerraum um. Im Juli 2015 gründet sie mit anderen Ehrenamtlichen aus Deutschland und Äthiopien den Verein Enat Ethiopia. Enat bedeutet im Amharischen so viel wie Mutter oder Unterstützerin. So sieht sich die zierliche Valerie, die vorsichtig an ihrem Kamillentee nippt: Als Unterstützerin der weniger Privilegierten.
Bildungsprojekte sind das vorrangige Ziel des Vereins. Die ersten Paten aus dem weiteren Bekanntenkreis sind schnell gefunden. Finanziert werden mit nur 20 Euro im Monat Schulgeld, alle benötigten Materialien und falls ein Bus fährt, auch der Transport. Finanziert werden aber auch Einzelschicksale wie das eines 13-jährigen Mädchens, das an Inkontinenz leidet. Aufgrund ihrer Krankheit wurde sie von ihrer Familie verstoßen. Enat Ethiopia findet eine Patin und kann das kleine Mädchen in einem Krankenhaus behandeln lassen. Als Valerie nach sieben Monaten ihre neue Heimat Äthiopien verlassen muss, weil sie ihr Visum nicht mehr verlängern kann, ist eines gewiss: Sie will nicht „weitermachen, als wäre nichts gewesen“. Dementsprechend schwer fällt ihr auch die Rückkehr nach Deutschland. Ohne es richtig zu bemerken, kritisiert sie ihre Eltern für deren Lebensstil. Im Vergleich zu dem Leben, das sie aus Äthiopien kennt, scheint alles nur so vor Überfluss und Verschwendung zu strotzen. Sie verkriecht sich in das alte Gewächshaus in Giesing, in dem sie als kleines Kind mit ihrer Familie eine Zeit lang gelebt hat. Über ihrem Kopf raschelt es, weil Vögel über das Glasdach laufen und es riecht nach feuchter Erde. Heimat?
Nachdem der erste Schock überwunden ist, stürzt sie sich in das lang geplante Physikstudium. Nach sechs unglücklichen Wochen steht sie vor der Frage: „Äthiopien oder dieses Physikstudium?“ Die Entscheidung ist schnell gefällt. Der neue Plan: Den Öko-Tourismus in Äthiopiens Choke-Bergen fördern und damit den Menschen vor Ort eine Perspektive bieten. Die Kinder sollen zur Schule gehen, danach aber nicht auf der Suche nach Arbeit in die großen Städte abwandern müssen. Denn dort erwartet sie im Zweifelsfall ein Leben als Bettler oder Haushaltshilfe. Die Eco-Lodge, die Valerie mit ihrem Freund Abiy bauen will, soll ihr eigenes Zuhause werden, aber auch eine Möglichkeit, komfortabel die touristisch wenig erschlossenen Choke-Berge zu besuchen. Später sollen auch erneuerbare Energien in das Projekt integriert werden, Valerie plant ein Fernstudium im Bereich Energieverfahrenstechnik.
Gibt es etwas, das Valerie an München vermissen wird? Spontan fällt ihr nichts ein. „Ich bin Vegetarierin, deswegen kann ich Weißwürste nicht vermissen“, sagt sie und lacht. Außerdem sei das äthiopische Nationalgericht, der Sauerteigfladen Injeira, dem deutschen Sauerteigbrot gar nicht so unähnlich. Wenn es nur das Essen ist – Valerie ist mit dem Herzen schon gar nicht mehr so richtig hier.
Die Münchner Band Akere sprengt den engen Rahmen in dem sich in Deutschland produzierte Pop-Musik sonst bewegt und überrascht mit Hip-Hop-Beats, Elektronik-Geschnatter und einer souligen Stimme.
Es ist schon seltsam. Die Pop-Welt hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten via Internet global vernetzt, umso stärker scheint sich manche Musik an ihre Heimat zu binden. Das ist prinzipiell nichts Neues – Folklore, Volksmusik, Folkmusic funktionierten bisher immer über einen fest gezurrten und eindeutig verorteten Bund an eine bestimmte Region. Die Hamburger Schule, Berliner Deutsch-Pop oder Detroit Techno sind im Pop-Bereich nichts anderes. Wenn solche Zuordnungen allerdings schon so alt sind wie in den oben genannten Fällen, wirken sie bisweilen ein wenig kitschig, fad in ihrer Reproduktion und ein wenig dröge. Umso schöner ist junge, neue Musik dann, wenn sie endlich Positives aus der Globalisierung zieht – wenn das Internet schon dafür gesorgt hat, dass mit Musik kaum noch Geld zu verdienen ist.
Die Münchner Band Akere zum Beispiel. Wo die Musik des Trios entstanden ist, welcher Szenen sie sich bedient und wo ihre Vorbilder liegen, ist schwer hörbar. Der zwischen Hip-Hop-Beats, Elektronik-Geschnatter, Soul und Jazz liegende Sound könnte in Brooklyns Kellern genauso entstehen wie etwa in Mumbai. Oder in Südafrika. Die klanglichen Komponenten, die zwei Produzenten Hans Hustle und Manu L One um die Soul-Stimme der Sängerin Sarah Sulai herumbauen, findet man überall in der Pop-Welt zerstreut. Der Sound, den die drei daraus zusammenkleben, ist dementsprechend erfrischend. Ein bisschen klingt das Debüt-Album „Blue Sphinx“, das am Freitag, den 19. Februar auf dem Münchner Hip-Hop-Label 58 Beats erschienen ist, nach einer abgefederten und etwas erleichterten Version von Grime und Bounce. Oder nach den Klangkaskaden eines Flying Lotus, die bei Akere aber ein wenig mehr Pop-Song-Struktur erhalten haben. Es klingt auf jeden Fall nicht mehr nach den engen Kategorien, in denen sich in Deutschland produzierte Pop-Musik so gerne aufhält.
Produziert und aufgenommen haben es die Musiker selber; mit Hilfe von Glam von Main Concept im hauseigenen 58 Beats Studio. Wunderschöne verhallte Klavierakkordwelten, die zwischen Dur und dem jazzigen Übermaß eines Dreiklangs schwanken, werden darauf von Beats geschreddert, die nach Hitchcocks kreischenden Vögeln klingen. Sarahs ruhige, reiche Stimme hält die Tracks zusammen, die Titel wie „Polycolour Madness“ oder „Flying“ tragen. Letzteres beginnt sogar mit einem relativ konventionellen Gitarrenlauf und einem räumlich weit klingenden Schlagzeug. Damit sind sie musikalisch ein wenig weiter in Richtung Band gerückt. Als Hans und Sarah vor gut zwei Jahren begannen Musik zu machen, verfolgten sie ein Konzept, in dem nicht ganz klar war, ob das ein Live-DJ-Act ist, oder eine Live-Band. Seit sie von Manu an Drum-Pads und Percussion unterstützt werden, hört man das Trio, das Musik spielt, mehr heraus als die produzierten Anteile.
Stil: Soul, Hip-Hop, Glitch Besetzung: Sarah Sulai (Gesang), Hans Hustle (Gitarre, Produktion), Manu L One (Drum-Pads, Percussion) Aus: München Seit: 2014 Internet:www.akere.bandcamp.com
Hängen Nationalität und Kriminalität miteinander zusammen? Dieser Frage gehen die sechs Schülerinnen der Deutschen Journalistenschule mit ihrem Projekt #siekommen auf den Grund.
Die sechs Schülerinnen der Deutschen Journalistenschule (DJS) Vanessa Vu, Jana Anzlinger, Caroline Wiemann, Anett Selle, Daniela Gaßmann und Minh Thu Tran, alle Anfang bis Mitte 20, sind zusammen #siekommen. Das gemeinsame Projekt beschäftigt sich mit der Fragestellung „inwiefern die Medien einen Zusammenhang zwischen Kriminalität und ausländischen Nationalitäten herstellen“. Der Fokus liegt auf der Kriminalitätsberichterstattung über Rumänen und Bulgaren 2006, also bevor die beiden Länder der EU beigetreten sind, und 2014, nachdem die Arbeitnehmerfreizügigkeit in Kraft getreten ist. Der eigens dafür erhobene Datensatz umfasst 900 Artikel aus über 50 deutschen Print-Medien. Ergänzend wurden von den jungen Frauen die jährlichen Statistiken des Bundeskriminalamtes und des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge herangezogen. „Die Angst vor Armut und Kriminalität war groß, die tatsächlichen Konsequenzen klein“, lautet das Fazit der sechs angehenden Journalistinnen.
Man könnte meinen es wäre schon April bei diesem verrückten Wetter. Weil man nie weiß, was man anziehen soll, kauft Marina beim Sale vonHOUSEOFHRVST vorsichtshalber einfach von allem ein bisschen. Für jede Wetterlage gerüstet startet sie in die Woche und wirbelt von Tanzperformance im Muffatwerk zu Zündfunk-Super-Slam im Milla - für Tiefenentspannung bleibt Marina bei dem vollen Terminkalender kaum Zeit…
Nachdem Anfang der Woche tatsächlich die Sonne rauskam, fühlt sich im Gegensatz dazu der Winter jetzt plötzlich noch kälter an. Draußen sein ist eklig bis unerträglich, also flüchte ich mich zunächst zu Houseofhrvst. Da ist gerade Ausverkauf, vielleicht finde ich ja was für den hoffentlich bald anbrechenden Frühling, obwohl der Temperatur gerade ein dicker Pulli wohl eher angemessen wäre. Egal, geht auch beides, so eine Chance gibt es ja nicht jeden Tag. Leider war ich nicht die Einzige, die diese Idee hatte, in dem Laden ist es brechend voll. Voll bepackt für kalte und wärmere Tage komme ich wieder nach hause. Schon so spät? Jetzt muss ich mich aber beeilen, damit ich noch rechtzeitig ins Muffatwerk komme. Da zeigt heute bei der Lecture Performance die Choreographin Sabine Glenz gemeinsam mit der Tänzerin Anna Fontanet eine neue Interpretation ihrer biographischen Tanzsoli „I Saw What I Thought I Should See“ und „A Body Within“. Was genau mich da erwartet weiß ich nicht, aber Tanz fasziniert mich schon aus dem einfachen Grund, dass ich selber überhaupt nicht tanzen kann. Nach der Aufführung fühle ich mich wie in eine andere Welt versetzt, quasi ins Innere der Choreographin, die mich mit ihrer einfühlsamen Performance schwer beeindruckt hat.
Nachdem ich es endlich schaffe, nach diesem besonderen Abend einzuschlafen, klingelt gefühlte zehn Minuten später schon wieder mein Wecker. Ich döse einfach weiter, bis mir wieder einfällt, warum ich so früh rauswollte: Dieses Wochenende ist die Kreativmesse im MOC, für die ich mit meiner Mutter verabredet bin. Wenn ich nur ihr handwerkliches Talent geerbt hätte… Wir tingeln von Wolle zu Buchbindern und weiter zwischen den kuriosesten Ideen, da ist definitiv für jeden was dabei, vielleicht sollte ich es mal mit Stricken versuchen, das entspannt und man hat auch was Schönes davon. Nachdem mir Stunden später fast die Beine abfallen, komme ich endlich nach hause. Es reicht für einen kurzen Kaffee und einen Powernap, dann bin ich wieder fit und düse los ins Milla. Angelockt von David Bowie und zwei ehemaligen Atomic Cafe Djs verbringe ich die Nacht mit fetzigem Indie und versuche, ein paar Tanzsskills von gestern auszuprobieren. Nach den Blicken der Anwesenden zu urteilen klappt das nur mittelmäßig, aber das macht nichts. Man kann nicht alles können.
Sonntag kann ich ausschlafen und gehe dann gut ausgeruht ins Kafe Kult. Das Motto des heutigen Kunst Festes könnte lauten: Es gibt nichts, was es nicht gibt. Der Nachmittag beginnt mit Lesungen, im Anschluss werden queere Filme gezeigt und danach gibt es Konzerte. Als ob das noch nicht genug wäre kann man an allen Ecken und Enden Kunst in den verschiedensten Medien bestaunen und erfahren. Unterbrochen wird der Nachmittag von spontanen Performances. Das alles passt perfekt in mein Wochenende, ich bin so voller kreativer Energie dass ich mich unglaublich inspiriert fühle, selber kreativ zu werden. Abends schaue ich noch die Oscars, ich hoffe sehr für Leo! Doch auch die anderen Nominierungen sind absolut berechtigt, das kann nur spannend werden.
Übernächtigt muss ich am nächsten Tag wieder arbeiten. Allerdings habe ich ein starkes Konzentrationsproblem, im Klartext: Schon nach kürzester Zeit bin ich wieder auf der Suche nach einer Beschäftigung für den Abend, und tatsächlich werde ich fündig: In der Goldenen Bar, in der ich bis jetzt sowieso noch gar nicht war, findet ein Abend voller Erotik und Poesie statt, Sex, Drugs and Rock’n’Roll, dafür muss Zeit sein. Etwas skeptisch bin ich schon, aber auch sehr gespannt, denn wie schon mein Freitag Abend beweist, ist es einfach wichtig, sich manchmal überraschen zu lassen. Und überrascht bin ich dann auch, zum Glück nur im positiven Sinne. Die Atmosphäre ist verzaubernd, ich fühle mich in eine andere Zeit versetzt und lausche fasziniert der Lesung. Später lasse ich mich zu einem Drink hinreißen, aber nur einer, schließlich ist ja Montag.
Natürlich ist es dann doch nicht bei einem Drink geblieben, aber wozu geht man denn in eine Bar? Mit brummendem Kopf gönne ich mir am Dienstag erst mal ein ausgedehntes Frühstück, bevor ich mich wieder an meine gestern doch sehr vernachlässigte Arbeit mache. Bis zum Abend komme ich ein gutes Stück voran und kann mich mit gutem Gewissen wieder auf den Weg machen. Mein Ziel: Das Provisorium. Noir Noir sind drei MünchnerInnen, die in ihrem Foto Projekt „Forest of Souls“ der dunklen Seite von Menschen auf den Grund gehen. Sie sagen, jeder hat so eine dunkle Seite, und ich bin absolut bereit ihnen zu glauben, wenn ich mir diese Bilder ansehe. Die Ausstellung ist unglaublich intensiv und zieht mich völlig in ihren Bann. Besonders gut gefallen mir die Models, die alle ganz unterschiedliche und faszinierende Gesichter haben.
Ein Dilemma, das jeder kennt, ist diese blöde Terminplanung. Während man an einem Tag aber auch wirklich gar nichts zu tun hat, könnte man sich am nächsten zweiteilen. So geht es mir am Mittwoch, den ich zuhause verbringe.
Wenn ich ehrlich bin, brauche ich auch einfach mal einen ruhigen Tag, wenn ich nur nicht am Donnerstag gleich zwei tolle Konzerte wären, die ich unbedingt hören will. Zum eine spielt pourElise in der Glockenbachwerkstatt. Diese junge Frau schafft es, nur mit einer Gitarre und ihrer Stimme einen ganzen Raum zu verzaubern und eigentlich darf ich mir das nicht entgehen lassen. Allerdings ist gleichzeitig auch wo anders Musik angesagt: die EgoFM Lokalhelden haben die Whiskey Foundation ins Technikum geholt. Die machen einen so tanzbaren Rock’n’Roll, dass spätestens nach dem ersten Song keiner mehr stehen bleiben kann. Wie entscheidet man sich denn an so einem Abend? Ich werfe eine Münze, bin aber mit dem Ergebnis irgendwie immer unzufrieden. Aber dann fällt mir ein, dass pourElise ja auch bei der Ausstellung „München am Rand“ von der SZ Junge Leute Seite spielen wird, das heißt ich habe diesen Monat sowieso nochmal die Gelegenheit, sie zu sehen. Also fällt die Wahl aufs Technikum, eine gute Entscheidung, denn auch The Strayin Sparrows und The Black Submarines, die ich vorher beide noch nicht kannte, rocken ordentlich.
Zum Abschluss der Woche treibt es mich nochmal in die Milla, diesmal zum Zündfunk-Super-Slam. Die Künstler geben auf der Bühne alles, um in fünf Minuten das Publikum für sich zu gewinnen. Das gelingt nicht jedem gleich gut, aber insgesamt ist man als Zuschauer schon sehr überwältigt von so vielen verschiedenen Darbietungen auf einmal. Ich fühle meinen Kopf sausen, nachdem ich von Chor über Hip Hop bis Singer/Songwriter alles gehört habe, immer wieder angefixt durch den aufgedrehten Moderator. Mindestens genauso aufgedreht bin ich am Schluss selber, also flitze ich noch ins Bahnwärter Thiel, um dort den Abend beim zweiten Wunstkonzert tanzend zu vollenden. Das Konzept stammt aus Berlin, kann also nur super werden. Und das wird es dann auch, bis ich in den frühen Morgenstunden dann doch in mein Bett falle. Während ich nicht mehr in der Lage bin, meinen Rolladen zu schließen, fällt mir der wohl einzige Vorteil im Winter auf: ich kann noch mindestens drei Stunden schlafen, bis es richtig hell wird.
Etwas Neues, nie zuvor Dagewesenes schaffen - für viele Künstler der Schlüssel zum Glück. Auch die beiden Musiker The King of Cons und Lil’ L haben diesen Schritt gewagt und wollen mit der Musikrichtung Munich Soul, wie sie es selbst nennen, und ihrer EP Change eine Stil-Lücke in der Münchner Musiklandschaft schließen.
Rastlosigkeit ist eine Eigenschaft, die viele Musiker verbindet. Sie sind scheinbar nie zufrieden. Immer auf der Suche nach neuen Sounds und Klängen - einer neuen Herausforderung. Etwas Neues schaffen. Für etwas ein Publikum finden, das vorher noch nie so dagewesen ist. Für Musikschöpfer scheint das der Schlüssel zum Glück zu sein. Dafür erfinden sie sich auch gerne mal komplett neu. Franko von Lankeren alias The King of Cons hat in diesem Zusammenhang mit seiner neuen EP nahezu eine 180 Grad Wendung hingelegt und dem bodenständigen Klang aus roher Akustikgitarre und Mundharmonika den Rücken zugekehrt. Auf seiner neuen Veröffentlichung Change, die er zusammen mit seinem Freund Lennart Stolpmann, a.k.a. Lil’ L, produziert hat, singt er mit Kopfstimme zu Synthesizer-Flächen untermalt von R’n’B-Drum-Pad-Beats. Ein Stückchen vom Singer-Songwriter-Dasein ist dank gezupfter E-Gitarre und dem klassischen Aufbau der Songs jedoch geblieben. Es entstehen fünf in sich sehr stimmige, poppige, etwas sphärische Tracks, die mit viel Liebe zum Detail produziert wurden. Verfremdete und gedoppelte Stimmen, Soundschnipsel von Stadtgeräuschen, perfekt harmonierende Synthesizer-Klänge. Die Falsett-Stimme Frankos hat zum Teil etwas leicht Kitschiges - ergibt aber im Zusammenklang mit den Trap-Beats und den erschaffenen Soundwelten auf wundersame Weise wieder vollkommen Sinn. The King of Cons X Lil’ L, wie sich die beiden Musiker in ihrer Zusammenarbeit bezeichnen, wollen mit ihrem selbst betitelten Munich Soul eine Stil-Lücke in Münchens Musiklandschaft schließen und machen mit ihrer EP Change den ersten Schritt in die richtige Richtung.
Mit Katharina Weber zusammen hat Theresa Reiter, 24, 2014 das Modelabel WE.RE gegründet. Ihr Konzept: Klare Schnitte und sinnliche Stoffe - für die Damen und Herren der Schöpfung. Wenn die ambitionierte Modedesignerin nicht gerade an der nächsten Kollektion tüftelt, sitzt sie am liebsten mit einem Glas Wein auf der Treppe ihres Freundes Dominik oder frühstückt Antipasti mit frisch gebackenem Fladenbrot.
Hier beginnt mein Abend: Auf Dominiks Teppich mit einem Glas Wein
Danach geht’s ins/zu: Kiss
Meine Freunde haben andere Pläne. So überzeuge ich sie vom Gegenteil: Ich bin eigentlich auch viel zu müde, aber lass uns nur auf ein Getränk runtergehen
Mit dabei ist immer: Mein Hausschlüssel, meistens
An der Bar bestelle ich am liebsten: Das überlasse ich dem Barkeeper Und danach einen Schnaps
Der Song darf auf keinen Fall fehlen: Dear Miami von Roisin Murphy, Afterlife von Arcade Fire
Mein Tanzstil in drei Worten: Sehr schön anzusehen
Der Spruch zieht immer: Hello boys
Nachts noch einen Snack. Mein Geheimtipp ist: Käsebrot und Schnaps in der Küche
Meine dümmste Tat im Suff war: noch lange danach sichtbar
Das beste Frühstück nach einer durchfeierten Nacht gibt`s im/bei: Daheim auf dem Sofa mit Antipasti vom Sultan in der Goethestraße und frisch gebackenem Laffa Fladenbrot vom Sara Grill in der Landwehrstraße
Diesem Club/dieser Bar trauere ich nach: Dem Atomic natürlich
Unser Junge-Leute-Playlist geht in die zweite Runde! Genauso unterschiedlich wie wir, so unterschiedlich sind auch die Lieder, die uns Monat für Monat begleiten. In der Summe ergibt sich daraus ein lustig-bunter Menschenhaufen - und eine spannende Mischung aus Pop, Folk,Electro und Rock. Viel Spaß beim Anhören!
The Lumineers - Ophelia
Heftiger Mädchen-Indie-Pop hin oder her: The Lumineers sind und bleiben meiner Meinung nach eine der besten Bands, die es derzeit gibt. Keine andere schafft es, aus so wenig so viel zu machen. Herrlich schlicht und einfach kommt auch ihre neue Single Ophelia daher. Nichts für Ohrwurm-Hasser, aber umso mehr genau das Richtige für Liebhaber von musikalischer Natürlichkeit und Authentizität.
Katharina Würzberg
Needtobreathe - More Time
Wer kennt das wohl nicht, dieses Gefühl, dass man versucht schöne Momente für immer festzuhalten, sie am liebsten in irgendeine Schachtel packen würde, um sie immer wieder auspacken und sie sich ansehen zu können. Aber dennoch rasen die Minuten, Stunden, Tage unaufhaltsam an einem vorbei. Im September kam ich für ein Auslandssemester in Paris an. Die Zeit war unvergesslich, viel zu wunderbar und einmalig- und sie verging wie im Flug. Wie gern hätte ich mehr Zeit gehabt mit diesen wunderbaren Menschen, in dieser großartigen Stadt:„I need more time, just a few more months, that will be fine.“ Ein Song, der ein melancholisches Gefühl in mir auslöst, mich gleichzeitig aber auch glücklich und froh macht, über die Monate die ich dort erleben durfte. Und der mich aufmuntert mit den Worten „I know it ain’t easy, but please believe me: It’s gonna be alright!“
Stephanie Albinger
Frank Turner – I still believe
Februar, typische Klausurenzeit für uns arme Studenten. Jeder ist ja da anders, ich persönlich kann zum Beispiel überhaupt nicht mit Musik lernen – sie ist trotzdem allgegenwärtig. In der Tram zur Bibliothek am Morgen, zum Aufwachen. In der Rauchpause dazwischen, zum Ablenken und als Motivation. In der Tram von der Bibliothek nach Hause am Abend, zum Runterkommen. Und natürlich am Abend, nach verbrachten Taten, zum Ab- oder einfach ganz Ausschalten. Eigentlich bin ich ein Mood-Musikmensch – ganz verschiedene Geschmäcke je nach Lust und Laune. aber Folk geht eigentlich immer – so wie Frank Turner. „Who’d have thought, that after all, something as simple as Rock’n’Roll could save us all?“, stellt Turner in „I still believe“ fest. Ich geb zu, ganz so schlimm sind die Klausuren dann doch nicht – auch weil die Musik mir manchmal das Gefühl gibt, mich komplett aus der Misere rauszuholen. „Who’d have thought, that after all, it was Rock’n’Roll?“
Matthias Kirsch
King Charles - Choke
Letztes Jahr im Herbst sind wir für ein Konzert von King Charles extra für einen Tag nach London geflogen. In der Schlange vor dem Eingang haben wir uns wie Groupies gefühlt. Und vielleicht auch fast schon ein bisschen zu alt für so was, neben all diesen 16-jährigen Mädchen. Spätestens aber als das Konzert losging, gab es kein Halten mehr. Jedes Lied konnten wir mitsingen, aus voller Kehle, wenn auch eher schaurig-schön. Geendet hat der Abend in einer noch freien Ecke am Flughafen. Geschlafen haben wir kaum. Und dennoch: Sollte King Charles sich auch für die bald anstehende Tour zu seinem neuen Album nicht nach Deutschland bequemen – ich würde sofort wieder für einen Tag vergessen, dass ich eigentlich nie zu den Mädchen gehört habe, die Stars anhimmeln.
Jacqueline Lang
Gin Wigmore - 24
Gänsehaut pur – Dieses Gefühl bekomme ich, wenn ich Gin Wigmore vorwurfsvoll den Refrain von „24“ hinaus schreien höre. Ihre rauchige Stimme klingt so, als ob sie jeden Moment wegbricht und hat gerade deswegen eine außergewöhnliche Intensität, die mich mitreißt. An diesem Schmerz ist alles real, sie ist wütend und gleichzeitig sehr stark, ein Eindruck, der nicht nur durch ihre Stimmfarbe sondern auch ihre Dominanz in dem Song vermittelt wird, mit der sie die eher dezente Begleitung in den Schatten stellt. Die wenigen Instrumente umschmeicheln und unterstützen sie nur minimal, vor allem in den Strophen wird sie von kaum mehr als Drums begleitet, die sich in einen kraftvollen Refrain steigern. In diesen beeindruckenden Song kann ich mich fallen lassen und mich für ein paar Minuten aus meinem Alltag herausträumen.
Marina Sprenger
CHVRCHES - Clearest Blue
Vielleicht auch mal am Wochenende tanzen gehen, sonst wird frau und vielleicht auch man unter der Woche verrückt, egal wie schön die Münchner Bibliotheken sind. Deshalb höre ich CHVRCHES aus Schottland, bei denen es neben der Musik auch viel um korrektes Gendern bzw. den Umgang mit frauenfeindlichen Botschaften gegen ihre Frontfrau zu gehen scheint. Am liebsten tanze ich zu „Clearest Blue“ durch mein Zimmer oder auch die Gänge von Bibliotheken, weil Blau eine schöne Farbe ist und Klarheit nie schaden kann. Und auch weil Lauren Mayberrys Stimme einfach total gut zu den noch recht harmlosen, manchmal beinahe poppigen Synthie-beats passt und mir immer gute Laune macht. „Meet me half way“ - ja bitte, denn zu zweit tanzen gehen ist weniger alleine.
Theresa Parstorfer
Wanda - Meine beiden Schwestern
Grundsätzlich hatte Marco Michael Wanda zwar recht, als er über das zweite Album „Bussi Baby“ sagte: „Es wird nicht so gut wie das Erste, aber erfolgreicher.“ Aber: Ein Album, das etwas schlechter ist als der erste Geniestreich von den Österreichern ist ja trotzdem noch ein gutes Album mit ein paar mitreißenden Hymnen. Der beste Song, der auch ein paar Monate nach der Veröffentlichung noch rauf- und runterlaufen kann, ist vielleicht „Meine beiden Schwestern“. Die beste Zeile: „Hin und wieder stehn wir uns nah - genauso wie die Flaschen von gestern“, die die Band auf Konzerten auch gerne in einer Endlosschleife vom Publikum singen lässt - bevor der Sänger und Namensgeber der Band genug von der Melancholie hat, sich in die Menge wirft und zu „Ich will Schnaps“ auf der Bar stehend Hochprozentiges in die Münder des Publikums laufen lässt.
Elisabeth Kagermeier
Doug Burr - Chief of Police In Chicago (Indefinite Surveillance Version)
Wieder so ein Fensterbrett-Song: leicht wehmütig, wunderbar reduziert und mit einem feinen Neil-Young-Knacken in der Stimme.
Michael Bremmer
Wolfmother – Baroness
Wolfmother sind eine lustige Band. Wobei Band auch hier nicht richtig ist, eher Sänger, Gitarrist, Songwriter und Bassist Andrew Stockdale plus Erfüllungsgehilfen. Und wenn die mal nicht so wollen wie Andrew, tauscht der mal flugs die ganze Band aus. So schon öfter geschehen, eigentlich war jedes Album eine andere Besetzung. So auch das neue, „Victorious“. Und beeindruckend daran ist: der Sound bleibt immer gleich. Gleich Retro, gleich aus der Zeit gefallen, aber auch gleich gut. Und deshalb ist Wolfmother die einzige Band aus der Richtung Stoner Rock, die ich anhören kann. Vom neuen Album sticht vor allem Baroness hervor, der Songtext ist einfach bis an die Grenze zum Kitsch, die Riffs und Rhythmen klingen wie seit 10 Jahren bei Wolfmother. Aber der Sound ist fett und irgendwie ist dieses aus der Zeit gefallene wahnsinnig sympathisch.
In der Ausstellung „München – am Rand“ im Farbenladen des Feierwerks erkunden 13 einheimische und zugezogene junge Künstler die Grenzen ihrer Stadt.
Wo hört eine Stadt auf, wo fängt sie an? Oder sind es nicht mehr die fließenden Übergänge, die eine Stadt lebendig machen – sei es geografisch, im Austausch mit anderen oder im tiefsten Inneren? Mit der diesjährigen Ausstellung „München – am Rand“ im Farbenladen des Feierwerks gehen die Junge-Leute Seite der Süddeutschen Zeitung und junge Münchner Künstler dieser Fragestellung nach. Ihre Interpretationen des Themas Rand könnten dabei unterschiedlicher kaum sein – ein Überblick.
Die Berge. Sie gehören streng genommen nicht mehr zur Stadt. Für die meisten, wie auch für Korbinian Vogt, gehören sie aber genauso dazu wie der Alte Peter. Vor allem die Gebirgsgruppe Karwendel hat es dem 21-Jährigen, der vorwiegend Akt fotografiert, angetan. Schon seine Großeltern waren regelmäßig dort unterwegs. Die Gebirgskette ist in seiner Fotoreihe, die er für den Farbenladen konzipiert hat, das leitende Motiv.
Milena Wohjan ist zwar erst 21, fotografiert aber bereits erfolgreich für renommierte Magazine und Blogs. Für Milena ist der Rand eine Grenze, die beim Feiern überschritten wird. Mit ihrer Kamera hat Milena „die ganzen verrückten Jugendlichen in ihrem hedonistischem Rausch verewigt“, sagt sie. Mit ihren Fotos will sie den Rand von und in Münchens Partyszene aufzeigen.
Der Bahnhof ist in jeder Stadt ein Ort des Ankommens und Abreisens, eine Ort der einen Rand markiert. An den Münchener Bahnhof zieht es den gebürtigen Österreicher Luca Senoner, 23, immer wieder. Entstanden sind dabei Schwarz-Weiß-Fotografien im „voyeuristischen Stil“.
Die 20-jährige Amelie Satzger ist am Rand von München aufgewachsen und hat aus dieser Zeit eine Reihe von Bildern gesammelt. „Die Bilder, die ich zeigen werde, befassen sich auf eine subtile Art mit dem Zerfall der Natur und deren Schönheit um München“, erklärt die junge Fotografin.
Sarah Kreile, 23, arbeitet mit Holz. Die Sängerin der Band Akere, die auch Kunst macht, illustriert ihre Gedanken zum Münchner Rand auf einer 1,5 mal 2,5 Meter großen Holzplatte. Die Idee dahinter: eine interaktive, riesige Landkarte von München zu erstellen.
Oda Tiemann, 22, zeichnet für den Farbenladen Selbstporträts, die sie selbst am Rand von München zeigen. Rand versteht Oda hierbei nicht geografisch, sondern im Hinblick auf ihren nicht klar definierten Platz in der Gesellschaft dieser Stadt.
Das Video, das für Natalie Brück, 27, das Thema Rand beschreibt, basiert auf einer Situation, die sie am Münchner Flughafen beobachtet hat: auslaufende Flüssigkeit aus einem Mülleimer. Die Kamera starr auf den Gegenstand gerichtet, nur das leichte Zittern der Hand ist sichtbar. Eine nüchterne Stimme aus dem Off beschreibt die Situation. Diese ganz eigene Erzählweise ist zu ihrem Markenzeichen geworden.
Linnéa Schwarz, 25, bezeichnet sich selbst als Zuagroaste. „Mit meinen Fotos, welche teils in München, aber auch über München hinaus entstehen, verstehe ich mich als eine Art Bindeglied zwischen der Welt da draußen und der Münchner Welt“. Linnea überschreitet diesen Rand nicht nur physisch, sondern auch psychisch. Ihre Fotografien und Videosequenzen zeigen den Betrachtern deshalb nicht nur die „unmittelbare Umgebung“, sondern zudem möglicherweise auch das „eigene Innenleben“.
Julia Schneider, 29, hat eine konzeptionelle Porträtstrecke fotografiert. Alle Personen tragen auf den Fotos denselben gelben Pullover – eine Art Uniform. Ihr Gesichtsausdruck wirkt „leer und kraftlos“. Für sich genommen sind es keine ästhetischen Fotos. Doch in der Masse wirken sie wie eine Einheit. Julia möchte auf den Konflikt zwischen Individuum und Gesellschaft aufmerksam machen, ein Thema, das gerade in einer Großstadt wie München immer wieder eine Rolle spielt.
Paulina Rauwolf, 24, ist nicht in München geboren. Manchmal fühlt sie sich hier immer noch fremd, „am Rand“. Diese Außenperspektive will sie mit den Besuchern der Ausstellung teilen – mit einer interaktiven Performance. Sie hat dafür eine filmende Brille entwickelt, frisch aus dem 3D-Drucker. Was sie sieht, wird für den Betrachter auf einem Fernseher sichtbar und so zugleich erfahrbar.
Die 23-jährige Fotografin Saskia Pfeiffer hat sich gerade kurzzeitig mit ihrem Freund eine Ein-Zimmer-Wohnung geteilt. Für die beiden glücklicherweise kein Dauerzustand. Wohnungsmangel und horrende Mietpreise drängen aber immer mehr vor allem junge Menschen an den Rand von München. Saskia begreift das Thema Rand aber nicht ausschließlich geografisch, sondern meint damit auch den finanziellen Aspekt und andere daraus resultierende Probleme.
Julian Mittelstaedt, 25, lebt seit fünf Jahren in München. Auf fast alles hält er seine Kamera, am liebsten aber auf Menschen. Im Farbenladen zeigt er seine Reihe „Öffentlich Zensiert“. „Die Fotos sind nicht gestellt, sondern auf den Straßen Münchens entstanden,“ sagt der Fotograf. Er habe den Rand des Gesetzes ablichten wollen und zeigt Menschen, deren Gesichter zufällig durch Schatten oder einen Gegenstand zensiert wurden.
Yunus Hutterer, 18, interessiert sich dafür, wie andere Menschen in München das Thema Rand wahrnehmen. Deshalb hat er sie gefragt, wo der Rand für sie ist und sie dann dort fotografiert – sei es in einem Stadtviertel oder im eigenen Zimmer. Die Menschen im Portrait, im Kontext ihres Rands und mit einem kleinen Text bilden gemeinsam das Konzept von Yunus.
Fotos (chronologische Reihenfolge): Luca Senoner, Milena Wohjan, Amelie Satzger, Oda Tiemann, Natalie Brück, Julia Schneider, Yunus Hutterer
Von: Jacqueline Lang
Werke der anderen Künstler posten wir im Laufe der Ausstellung.
Statt seine Autobiographie zu schreiben, hat Lukas Eichhammer alias LUX eine autobiographische Platte namens L.U.K.A.S aufgenommen. Seine Songs bestechen durch eine mutig-lapidare Ehrlichkeit und gliedern sich in den neuen Trend Münchner Rapper ein, auch mal Schwäche zu zeigen.
Man muss schon einigen Mut haben, um seine Autobiografie zu veröffentlichen. Es gehört wohl zu den beliebtesten Small-Talk-Kunst-Gesprächen, gehässig zu fragen, warum denn ausgerechnet der oder diejenige sich denkt, sie müsse der Welt ihren oder seinen Lebensweg erzählen. In der Arroganz dieser Stammtisch-Logik hat damit sowieso niemand die Berechtigung dazu, seine Lebensgeschichte in Schriftform zu veröffentlichen. Außer vielleicht John F. Kennedy oder John Lennon – aber die wohl auch erst, seit sie schon tot sind, was das Projekt Autobiografie in ein abstruses Licht rückt. Nun ist das Aufschreiben der eigenen Geschichte natürlich auch immer ein bisschen narzisstisch, etwas das das sich echauffierende Volk unschön an seinen eigenen Voyeurismus erinnert. Deshalb werden lieber weiter Selfies auf Facebook gepostet und in der hiesigen Jedermanns-Chronik Autobiografisches in Kurzsätzen in die Welt geballert.
Der Münchner Rapper LUX hat sich also ein gefährliches Terrain gesucht. Immerhin widmete er der eigenen Geschichte sein ganzes Debütalbum. Im vergangenen Sommer hat er das veröffentlicht, es trägt seinen Vornamen: „Lukas“. Und schon auf der vorausgegangenen EP fand sich ein Song, in dem er alle Grenzen zwischen Privat-Persönlichkeit und Künstlertum einriss und seine eigene Jugend relativ schonungslos und detailreich in Liedform umriss. „L.U.K.A.S.“ heißt der und darin erfährt man etwa, dass er seinen ersten Zungenkuss in der Grundschule von einer Anna bekam. Dass er nach eigentlich recht erfolgreicher Jugend-Schauspielkarriere leider an keiner Schauspielschule genommen wurde. Dass er zwei Muttermale hat und dass sein Freundeskreis „ziemlich verkifft“ ist. Dass er 1990 in München-Schwabing geboren ist und gerne Leberkas isst. Die Lebensgeschichte eines Münchner Jugendlichen in Reimform über einen lichten, jazzigen Beat seines Produzenten Cap Kendricks.
Hip-Hop war schon immer das Genre der Popmusik, das sich am meisten mit sich selbst beschäftigt und sich mit Freude auf sich selbst bezieht. Die Rapper und Musiker werden so zu ihren eigenen Protagonisten, die sich gekonnt und geschickt zwischen Realness und Kunstfigur inszenieren. Man merkt das etwa daran, wie oft Rapper ihre eigenen Pseudonyme in Texte einbauen. Oder wie sehr sie sich mit diesen Figuren identifizieren, wenn sie in Battles gegeneinander antreten und wie sie auf persönlichen und privaten Schwächen des anderen herumhacken, wenn es darum geht, das Gegenüber zu dissen. Doch Lukas geht mit seinem Album noch einen Schritt weiter und hebt die Frage, inwiefern Popmusik authentisch sein kann oder nicht, auf ein anderes Niveau.
Denn er gibt eigentlich zu viel von sich preis, als dass er in der in der Hip-Hop- Coolness bestehen könnte. „Wenn ich Musik mache, ist es mir wichtig etwas von mir zu erzählen. Wenn ich damit ein paar Leute erreiche und berühre, habe ich schon alles erreicht“, sagt er. Und damit bringt er etwas auf den Punkt, was sich in der Münchner Rap-Szene schon seit einigen Jahren angedeutet hat. Denn auch, wenn das musikalisch und in der Attitüde doch alles recht unterschiedliche Kandidaten sind, eint etwa die Creme Fresh-Splitter Fatoni und Keno, deren Protegé Edgar Wasser oder Manekin Peace und eben LUX etwas: Sie vertreten in ihrer Selbstinszenierung eine Art Underdog-Mentalität. Und die tritt an, als Gegenpol zu all der Coolness. Es scheint als hätte sich unter Münchner Rappern ein Tonfall etabliert, sich selbst in Schwächen und wunden Punkten zu zeigen; mit unter eine ganz humanistische Botschaft: Nicht stärker, weiter, schneller heißt es hier, sondern schaut, was ich nicht kann, und es funktioniert dennoch. Bei Keno in eher intellektueller Form, bei Fatoni schlau, bei Edgar Wasser zynisch. Und bei LUX mit dieser mutig-lapidaren Ehrlichkeit. Gerade arbeitet der an seiner nächste EP. Sein Thema diesmal: Das Älterwerden und Zukunftsängste.
Stil: Hip-Hop Besetzung: Lukas „LUX“ Eichhammer (Raps, Texte), Cap Kendricks (Produktion) Aus: München Seit: 2012 Internet: www.lux40.bandcamp.com